Schlittern wir in eine Rezession?
Ein neues Gespenst wird durch unsere Medienlandschaft gejagt: Die drohende Rezession. Rezessionsängste sind nichts Neues. Einige Experten sind sich einig: Eine Rezession ist unausweichlich, sehr wahrscheinlich oder sogar bereits über uns hereingebrochen. Bei all der aufgebrachten Rhetorik stellt sich bei AnlegerInnen unweigerlich ein ungutes Gefühl in der Magengegend ein. Was genau ist eine Rezession und was bedeutet das für die Geldanleger? Wir blicken mal wieder weit in die Vergangenheit und ziehen daraus Rückschlüsse in die Zukunft. Es wird spannend.

Viel Spaß dabei.
Das erwartet dich
Was ist eine Rezession?
Schlittern wir in eine Rezession? – Glaubt man einschlägigen Medien, ist eine Rezession eine ökonomische Apokalypse. Weit gefehlt: Eine Rezession ist nichts anderes, als eine abnehmende Wirtschaftsleistung (Brutto-Inlands-Produkt = BIP) eines Landes. Mit anderen Worten, wenn das BIP eines in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen weniger ist als im Vorjahresvergleich, spricht man von einer Rezession. Dabei ist es egal, wie groß dieser Unterschied zum Vorjahr ist.
Wenn zum Beispiel ein Schreiner wie in den letzten Jahren sehr gutes Geld durch den Bauboom verdient hat und jetzt in den kommenden zwei Quartalen weniger Umsatz macht als in den Vorjahresquartalen, dann würde man also von Rezession der Schreinerei sprechen. Das heißt aber noch lange nicht, dass der Schreiner gleich Pleite geht. Es geht darum, wie viel Umsatz macht er weniger? Führt das auch zu weniger Gewinn? Kann er die Kosten senken? Wie sieht die Auftragslage aus? Wie dieses einfache Beispiel verdeutlichen soll, ist eine Rezession nichts Schlimmes und gehört zur Wirtschaft einfach dazu. Es kann nicht immer bergauf gehen, es gehören ebenso Konsolidierungsphasen dazu.

Eine Rezession ist nichts Schönes, aber die Wirtschaft geht davon nicht unter. Oft betrifft es weder alle Branchen noch alle Unternehmen. Rezessionen sind jedoch unter Politikern sehr unbeliebt, da sie unter anderem folgende Nebenwirkungen haben:
- Zurückgehende Börsenkurse
- Sinkende Produktion
- Abnehmende Löhne
- Höhere Arbeitslosigkeit
- Sinkende Preise
Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor sowie Haushalte mit geringem Einkommen sind am härtesten von einer Rezession betroffen. Die höhere Arbeitslosigkeit belastet die Sozialkassen, weniger Konsum die Steuereinnahmen. Nicht jedes Unternehmen überlebt eine Rezession.
Eine Rezession ist aber auch reinigend und gesund für eine Wirtschaft, genauso wie das Gewitter nach einer Hitzewelle gut für die Natur ist. Unternehmen mit schlechten Geschäftsmodellen werden aus dem Markt gefegt, da sie Kapital binden, dass bei funktionierenden Geschäftsmodellen nachhaltiger aufgehoben ist.
Der Blick in die Vergangenheit
Schlittern wir in eine Rezession? – Eine Rezession kommt öfter vor als man glaubt. Den letzten starken Wirtschaftseinbruch hatten wir im Corona-Crash. Die ersten beiden Quartale des Jahres 2020 waren von einem negativen Wirtschaftswachstum im Vergleich zum Vorjahreszeitraum geprägt. Dem konnte aber mit immensen staatlichen Hilfsprogrammen entgegengewirkt werden. Das Wachstum in den folgenden Quartalen fiel entsprechend gut aus. Der Unterschied zu heute: Die Inflation ist aufgrund der Unterbrechung der Lieferketten durch den Ukraine-Krieg und den China-Lockdown so hoch wie lange nicht. Normalerweise erhöht die EZB adäquat und frühzeitig die Zinsen bei hoher Inflation, um die überhitzte Wirtschaft abzukühlen.
Von Überhitzung kann in Europa aber nicht die Rede sein. Die hohe Inflation ist im Wesentlichen auf die oben genannten Gründe aus geringem Angebot zurückzuführen. Dadurch ist die EZB in einer Zwickmühle gefangen. Einerseits sollte sie die Zinsen in gesundem Maße erhöhen, dadurch würgt sie aber vermutlich die Wirtschaft ab, weil die Finanzierungskosten der Unternehmen zu teuer werden.
Andererseits kann sie die Inflation auch nicht einfach durch Nichtstun laufen lassen, da sie dann ihrem Mandat der Preisstabilität nicht nachkommt. Sie hat also vollgeladene Waffen in der Hand, fürchtet aber den Boomerang-Effekt der Kugel und traut sich somit nicht, im verhältnismäßigem Rahmen auf den Abzug zu drücken.
Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich (Mark Twain)

Schlittern wir in eine Rezession? – Dieses berühmte Zitat von Mark Twain lässt sich sehr gut auf die momentane Krise beziehen. Wenn wir etwas weiter in die Vergangenheit blicken, gibt es durchaus Parallelen zu heute. Am 02. August 1990 marschierte der damalige irakische Diktator Saddam Hussein in Kuwait ein, um die dortigen Ölquellen zu sichern. Aufgrund der hohen Abhängigkeit nach billigem Öl, befeuerte der massiv gestiegene Ölpreis die Inflation in der westlichen Welt. Um diese gestiegene Inflation zu bekämpfen, musste die US-Notenbank FED die Leitzinsen erhöhen. Daraufhin schlitterte die USA in eine Rezession, welche rund neun Monate andauerte. Erst der Einmarsch der Amerikaner im Irak löste die Ängste um die Ölversorgung des Westens.
Die Aktienmärkte folgten prompt. In nur 68 Tagen ging es für den breiten amerikanischen Aktienindex S&P 500 um über 20% bergab. Aber auch in Europa verlor der europäische Aktienindex MSCI Europe in nur 131 Tagen 24%. Wie ersichtlich wird, gibt es viele ähnliche Beispiele bereits in der jüngeren Vergangenheit.
Was kommt nach einer Rezession?
Schlittern wir in eine Rezession? – Rezessionen sind also nichts Neues, Abwärtsbewegungen an den globalen Aktienmärkten ebenfalls nicht. Viele Anleger sehen es nicht gern, wenn der Depotwert weniger wird. Das ist verständlich. Ein langer Blick in die Vergangenheit zeigt jedoch ebenfalls Erstaunliches – die Erholungen nach Rezessionen.
Wie Statistiken beweisen, fällt der S&P 500 (amerikanischer Aktienindex) in solchen Phasen im Durchschnitt um 34%. Nur 12 Monate nach den jeweiligen Tiefpunkten steht er durchschnittlich bereits wieder bei +36%. Auch in Europa ein ähnliches Bild: Der MSCI Europe (europäischer Aktienindex) liegt durchschnittlich 12 Monate nach solchen Tiefpunkten bei einem Plus von 34%, während der durchschnittliche Rückgang bei 32% beträgt. Dies sind Durchschnittswerte.
Folgende Tabelle ist ein Ausschnitt der etwas jüngeren Vergangenheit. Es gab also doch Phasen, in denen der S&P 500 mehr verlor. Nichtsdestotrotz waren die Erholungen immer wieder erstaunlich.
Start | Ende | Rückgang der Börse in Tagen | Rückgang prozentual | Stand ein Jahr nach Tiefpunkt | Stand 5 Jahre nach Tiefpunkt |
---|---|---|---|---|---|
Juli 1990 | Oktober 1990 | 64 | -20 % | + 29 % | + 90 % |
März 2000 | Oktober 2002 | 664 | -49 % | + 33 % | + 87 % |
Oktober 2007 | März 2009 | 370 | -57 % | + 68 % | + 126 % |
Februar 2020 | März 2020 | 24 | -34 % | + 76 % | + 70 % (bis 20.07.2022) |
Januar 2022 | ? | ? | -18 % (bis 20.07.22) | ? |
Was bedeutet das für deine Geldanlage?

Schlittern wir in eine Rezession? – Momentan kommt vieles zusammen: Hohe Inflation, hohe Energiepreise, steigende Zinsen, ein Rückgang der Immobilienpreise und geopolitische Spannungen. Kommt nun ein Rückgang der Wirtschaft? Wir wissen es nicht.
Was wir jedoch wissen ist: Wo Gewinner, da auch Verlierer. Jegliche Sanktionen gegen russische Rohstofflieferungen in den Westen ist gleichzeitig ein Konjunkturprogramm für einen großen Teil Asiens, Südamerikas und Afrikas. Denn viele Länder dieser Kontinente haben sich nicht an den Sanktionen gegen die russische Föderation beteiligt und bekommen jetzt Rohstoffe zum Schleuderpreis, was deren Ökonomien langfristig immensen Aufschwung bescheren wird.
Jedoch sehen zweifelsohne viele Anleger einen Rückgang an der Börse nicht gern. Wie die Geschichte jedoch ausnahmslos und eindrucksvoll beweist, erholen sich die weltweiten Aktienmärkte immer wieder, nach vorherigen teilweise heftigen Einbrüchen. Daher ist es von besonderer Bedeutung, langfristig investiert zu sein und auch zu bleiben. Wer einen mittel- bis langfristigen Anlagehorizont hat, kann ganz entspannt sein. Krisen kommen und gehen, genauso wie Ab- und Aufschwünge an den Börsen. Wie uns die Börsengeschichte seit mehr als 200 Jahren lehrt, werden die Marktteilnehmer langfristig belohnt, die genau das verstanden haben und im besten Fall, in Zeiten einer Rezession, günstig nachkaufen.
Ganz nach dem Motto eines der erfolgreichsten Bankiers der Welt: Ich habe bei meinen Börsenspekulationen nie zu den Dummköpfen gehört, die immer wieder den unmöglichen Versuch machen, nur zum niedrigsten Kurs zu kaufen und zum höchsten zu verkaufen.“ (Amschel Mayer Rothschild)