Was ist von dem Garantiezins einer Lebensversicherung zu halten?
Das Wesentliche zusammengefasst
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die Garantie in einer Lebensversicherung ist das Papier nicht wert, auf dem sie steht
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die Auszahlungen von Lebensversicherungen fallen seit Jahren
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wer eine Lebensversicherung hat, spart in eine Black Box: oft wird weniger ausgezahlt, als man insgesamt eingezahlt hat
Was ist von dem Garantiezins einer Lebensversicherung zu halten?
Was ist von dem Garantiezins einer Lebensversicherung zu halten? Beim Abschluss von Lebensversicherungen gilt immer der aktuell gültige Garantiezins. Noch vor dem Jahr 2000 betrug er 4 %. Seit dem ist er schrittweise gefallen bis zum Januar 2017 auf ein historisch niedriges Niveau von 0,9 % pro Jahr. Den Garantiezins gibt es jedoch nicht auf den eingezahlten Beitrag, sondern nur auf den Sparanteil.
Das ist der Beitrag abzüglich aller Kosten. Somit werden zum Beispiel von 100 € monatlicher Einzahlung je nach Abschlusszeitpunkt in der Regel nur 70 € bis 90 € verzinst. Die Ratingagentur Assekurata hat 30 Lebensversicherer unter die Lupe genommen und ausgerechnet, wie viel Nettoverzinsung nach Kosten bei Neuverträgen ab 2019 wirklich übrig bleiben.
Das Ergebnis war erschreckend. Von den versprochenen 0,9 % Garantiezins bleiben beim Durchschnitt aller Lebensversicherungen gerade einmal 0,14 % pro Jahr übrig.
Bei einigen Versicherungen liegt die garantierte Auszahlungssumme am Ende der Laufzeit sogar unter den eingezahlten Beiträgen.
Aufteilung des Sparanteils
Wie legt nun die Lebensversicherung den Sparanteil des Kunden an? Hierzu gibt es gesetzliche Rahmenbedingungen, die vorgeben, dass der Großteil des Geldes in festverzinsliche Wertpapiere wie zum Beispiel Staatsanleihen und Bankdarlehen angelegt werden muss.
Laut Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft sind nur 4,4 % des Sparanteils in Aktien, 3,6 % in Immobilien und 3,7 % in Beteiligungen angelegt. Knapp 86 % davon fließen in Staatsanleihen und Bankdarlehen, obwohl die Versicherer bis zu 35 % in Aktien und Immobilien investieren dürften. Aber die Bequemlichkeit der Konzerne kostet den Kunden Rendite.
Erschwerend kommt trotz alledem hinzu, dass die strengen gesetzlichen Vorgaben dazu führen, dass der Großteil des Kundengeldes langfristig in einer Nullzinspolitik gar nicht rentabel arbeiten kann. Einen realen Gewinn oberhalb der tatsächlichen und gefühlten Inflationsrate mit einer Lebensversicherung zu erzielen, bleibt fast aussichtslos. Vor allem die hohen Kosten tragen ihren Teil dazu bei.
Was ist von der Überschussbeteiligung meiner Lebensversicherung zu halten?
Zu den garantierten Zinsen der Versicherer kommen noch die laufenden Überschüsse hinzu, der einmalige Schlussüberschuss und die Beteiligung an den Bewertungsreserven.
Die laufenden Überschüsse
Die laufenden Überschüsse sind nicht garantierte Gewinnbeteiligungen der Versicherung und werden vom Versicherer jedes Jahr neu festgelegt und nicht garantiert. Sie bestehen aus Zins-, Risiko- und Kostenüberschüssen. Laut Lebensversicherungsreformgesetz von 2014 muss der Versicherer seine Kunden bis zu 90 % am Zins- und Risikoüberschuss beteiligen und zu 50 % am Kostenüberschuss.
Die Beteiligung an Bewertungsreserven
Auch die Beteiligung an den Bewertungsreserven sind unsicher. Denn dazu müssten die Versicherer die gut verzinsten alten Wertpapiere auflösen und durch aktuell schlecht verzinste ersetzen. Das träfe dann alle Kunden, deren Verträge noch laufen. Im Zweifelsfall prüft die Finanzaufsicht Bafin das Vorgehen. Fakt ist, dass in den letzten Jahren Kunden kaum oder gar nicht mehr an den Bewertungsreserven partizipiert haben.
Eine Klage gegen die drastische Kürzung der Bewertungsreserven wurde vom Bundesgerichtshof abgewiesen. Die Zinsüberschüsse dürften aufgrund der Nullzinsen weiter abschmelzen, so dass man nur von der garantierten Auszahlung ausgehen sollte.
In einem Fall aus dem Jahr 2014 wurde einem Versicherungskunden die Beteiligung an den Bewertungsreserven sogar um 95 % reduziert, mit dem Argument der Versicherung, sie hätte einen zusätzlichen Sicherungsbedarf. Der Lebensversicherer bekam vor dem Bundesgerichtshof (BGH) Recht.
Der Schlussüberschuss
Am Ende des Vertrages zahlt die Versicherung einen einmaligen Bonus, den Schlussüberschuss, aus. Deren Höhe kann die Versicherung aber selbst bis zum Ende des Vertrages festlegen. Sie hat somit freie Hand.
Lohnt sich die Kündigung meiner Lebensversicherung?
Was ist von dem Garantiezins einer Lebensversicherung zu halten? Immer mehr Versicherungskunden stellen ihre abgeschlossenen Kapitallebensversicherungen in Frage. Zu Recht? In jedem Fall. Denn wagt man einen Blick in die Rückkaufswert-Tabelle, stellen die Sparer fest, dass ihr Guthaben in den allermeisten Fällen unter ihrer bisherigen Einzahlung liegt. Der Rückkaufswert ist das Guthaben, dass man bei Kündigung ausbezahlt bekommt. Viele Kunden haben derartige Verträge in der Vergangenheit unterschrieben, ohne je selbst nachgerechnet zu haben. Mit fatalen Folgen.
Die Aussage der Versicherungsvertreter, „Wenn Du kündigst, machst Du Verlust!“, hat einige Kunden in der Vergangenheit abgeschreckt, den Vertrag wirklich prüfen zu lassen. Diese Aussage der Versicherungsbranche stimmt so nicht. Denn der Verlust erfolgt nicht durch die Kündigung, sondern bereits beim Abschluss.
Denn schon vom ersten eingezahlten Euro zieht die Versicherung Abschlussprovisionen, Verwaltungsgebühren und Risikokosten ab. Ob sich eine Kündigung lohnen kann, hängt nicht davon ab, wie lange ein Vertrag schon läuft, sondern von seiner Restlaufzeit.
Es ist absolut entscheidend, ob das Geld in der Versicherung anderweitig sinnvoller angelegt werden kann. Zunächst muss die Rentabilität des Vertrages genauer betrachtet werden. WICHTIG: Sollte der Versicherungskunde bereits gesundheitlich angeschlagen und auf den in der Police enthaltenen Versicherungsschutz angewiesen sein, dann ist von einer Kündigung abzuraten. Denn der Kunde wird Schwierigkeiten haben, bei anderen Versicherungen überhaupt einen Versicherungsschutz zu bekommen.
Status Quo: Wie viel Zinsen bringt meine Lebensversicherung?
Was ist vom Garantiezins einer Lebensversicherung zu halten? Zunächst muss anhand der persönlichen Zahlen aus der Police berechnet werden, wie hoch die bisherige Verzinsung des Vertrages ist. Das gilt sowohl für den Zeitraum von Beginn bis zum Datum der aktuellen Prüfung als auch von Beginn bis zum Ablauf. Sollte eine Dynamik mit eingebaut sein oder zwischenzeitlich Beiträge reduziert, erhöht oder beitragsfrei gestellt worden sein, dann wird die Rechnung etwas komplizierter und aufwendiger. Die Versicherung verzinst den Sparanteil des Kunden mit dem gesetzlichen Garantiezins (siehe Grafik).
Allerdings ist der Sparanteil nicht der eingezahlte Beitrag des Kunden, sondern der Beitrag abzüglich der Abschluss-, Verwaltungs- und Risikokosten. Diese betragen gesamt nicht selten bis zu 30 % des kompletten Beitrages des Kunden. Hinzu kommen die Zins-, Risiko- und Kostenüberschüsse, die sich seit knapp 20 Jahren fast jedes Jahr verringern. Die Beteiligung an den stillen Bewertungsreserven wurden teilweise sogar ganz gestrichen. Am Ende der Laufzeit gibt es noch einen Schlussüberschuss. Daraus ergibt sich dann die prognostizierte Ablaufleistung inklusive aller Überschüsse.
Für den Kunden ist also am Ende entscheidend, was er insgesamt in den Vertrag einzahlt, welche Höhe der Versicherungsschutz beträgt und was er am Ende garantiert herausbekommt und wie hoch die Auszahlung mit Überschüssen ist. Die Realität zeigt, dass die garantierten Auszahlungen oftmals nur noch knapp über der Einzahlung sind.
Beispiel 1: Die Kündigung von Freds Lebensversicherung lohnt sich nicht
Wir nehmen an, Fred zahlt 150 € monatlich in eine Kapitallebensversicherung mit einem integriertem Todesfallschutz von 50.000 € über eine gesamte Laufzeit von 37 Jahren. Er befindet sich im 33. Jahr und hat noch 4 Jahre Restlaufzeit und stellt sich die Frage, ob sich der Ausstieg lohnt.
Er ist gesund und könnte auf die Todesfallsumme von 50.000 € verzichten, und er braucht das Geld in 4 Jahren für die Rückzahlung eines Darlehens. Da die Restlaufzeit von 4 Jahren für eine bessere Alternative sehr kurz ist und bei einer Kündigung der Schlussüberschuss wegfallen würde, ist eine Kündigung voraussichtlich nicht ratsam, selbst wenn der Schlussüberschuss nicht hoch ausfällt.
Beispiel 2: Kündigung von Susis Lebensversicherung kann sich lohnen
Susi zahlt 150 € monatlich in eine Kapitallebensversicherung über eine gesamte Laufzeit von 37 Jahren. Sie ist gesund und hätte keine Probleme, anderweitig günstiger versichert zu werden. Sie befindet sich im 13. Jahr der Einzahlung und hat bisher insgesamt 23.400 € einbezahlt bei einem aktuellen Rückkaufswert von 20.000 €. Die prognostizierte Ablaufleistung inklusive Überschüsse, also die Auszahlung der Versicherung laut aktueller Versicherungsmitteilung, beträgt 90.000 €.
Die Nettoverzinsung auf den eingezahlten Beitrag in diesen 37 Jahren würde 1,6 % pro Jahr betragen, wenn alles so weiterläuft wie bisher. Das ist nicht sehr üppig. Susi hat sich errechnet, dass sie mit ihren Sparprodukten auf einen Anlagehorizont von knapp 40 Jahren mindestens über der Inflationsrate von 2 % liegen muss, um wirklich etwas für ihren Vermögensaufbau zu machen.
Bei Kündigung würde Susi einen kurzfristigen Verlust von 3.400 € realisieren. Das ist allerdings nur die eine Seite, denn auf einen Anlagehorizont von 24 Jahren, also die Restlaufzeit des Versicherungsvertrages, könnte sie ihr hart erarbeitetes Geld zum Beispiel in einem breit gestreuten, konservativen Depot, bestehend aus Investmentfonds- oder ETFs rentabler anlegen. Sie kündigt somit die Lebensversicherung. Innerhalb von rund 6 Wochen ist der Rückkaufswert von 20.000 € auf Ihrem Konto. Sie ist ein sehr konservativer Anleger und wählt daher die ruhige Variante eines Fonds-Depots. Dieses ist, wie jedes Fonds-Depot, vor einer Pleite der Bank oder Versicherung im Sondervermögen geschützt.
Von den 150 € monatlich könnte Susi sich für 10 € im Monat über eine günstige Risikolebensversicherung absichern. Damit wäre ihr Versicherungsschutz wieder hergestellt. Die verbleibenden 140 € könnte sie in das Depot mit ansparen. Bei einer angenommenen Wertentwicklung von 5 % pro Jahr nach Kosten über die Restlaufzeit von 24 Jahren, entstünde ein Fondsguthaben von rund 140.000 € nach Steuern.
Daraus ergibt sich ein Differenzgewinn von 50.872 € netto. Voraussetzung für die Annahme bei einer neuen Risikolebensversicherung ist ein guter Gesundheitszustand.
Deshalb sollte nicht eigenständig und ohne Überlegung vorzeitig gekündigt werden. Der Kunde sollte einen Experten zu Rate zu ziehen und eine Risikoprüfung vor der Kündigung veranlassen, damit er nicht ohne Versicherungsschutz im Ernstfall da steht.
Praxistipp für Besitzer von Lebensversicherungen
Jeder Lebensversicherungskunde sollte seinen Vertrag auf den Prüfstand stellen. Denn die hohen Kosten, das schwache Neugeschäft der Versicherer, die hohen Kündigungszahlen und die Niedrigzinspolitik geben den meisten Policen den Rest und machen die Nettoverzinsung auf den eingezahlten Beitrag mehr als unattraktiv. Allerdings sollte nicht voreilig gekündigt werden. Es ist, wie oben beschrieben, von vielen Faktoren abhängig, ob sich eine Kündigung lohnt. Nachrechnen sollten man in jedem Fall.
Einzelnachweise
Fetscher S., Hilfe – wir sparen uns arm! FBV 2018.