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Eine Straße mit 2 Häusern, vor beiden steht ein Schild mit der Aufschrift "Zu verkaufen"
Eine Straße mit 2 Häusern, vor beiden steht ein Schild mit der Aufschrift "Zu verkaufen"

Die Zinsen steigen – droht ein Kollaps bei Immobilien?

Christian
03.05.2022
ca. 10 Min. Lesezeit

Haben wir den Höhepunkt bei Immobilien erreicht? Oder ist es doch sinnvoller eine Immobilie zu kaufen, wenn die Zinsen steigen? Wir bringen Licht ins Dunkle.

Das erwartet dich:

Die goldenen Zeiten des billigen Kredites sind vorbei

In Zeiten hoher Inflation suchen viele Anleger schützende Anlagemöglichkeiten, um ihr Geld vor der Geldentwertung zu schützen. Oftmals fällt hier die Wahl auf Betongold. Vor einem Jahr konnte man noch eine 10-jährige Hypothek von 0,6 % bekommen, inzwischen sind es schon 1,8 % oder mehr, und das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht. Steigende Zinsen haben einen direkten und einen indirekten Einfluss auf bestimmte Anlageklassen und Immobilien sind direkt davon betroffen.

Die amerikanische Notenbank FED erhöht die Zinsen für ihre Staatsanleihen, und die EZB wird sehr wahrscheinlich folgen. Staatsanleihen werden somit wieder attraktiver und stellen eine ernstzunehmende Konkurrenz als sicheren Hafen dar – besonders für institutionelle Investoren wie Banken, Versicherungen und private Vermögensverwaltungen. Für diese Investoren ist es relativ einfach, von einer Anlageklasse in eine andere umzuschichten – anders als bei Privatanlegern. Gelder werden also aus Immobilien abgezogen und in andere, mehr Erfolg versprechende Anlageklassen investiert.

Soll ich jetzt eine Immobilie kaufen?

Fred und Susi stehen einer riesigen Mausefalle. Das Lockmittel ist ein Haus, und der Kredit sitzt auf dem Spannhaken.

Am Immobilienmarkt wird traditionell mit einem sehr hohen Kredithebel investiert. Wer zum Beispiel ein Hypothekendarlehen für 2 % bekommt, für den ist es attraktiv, eine Immobilieninvestition zu tätigen, die eine sichere Rendite von 3 % verspricht. Mit einem Kredithebel kann diese sichere Einnahme gut realisiert werden. Wenn die Zinsen für Hypotheken aber nun steigen, beispielsweise auf 4 %, dann wird kein intelligenter Investor diese Investition mehr tätigen. Niemand will einen garantierten Verlust eingehen. Damit es kaufmännisch wieder sinnvoll ist, müsste erst der Kaufpreis wieder fallen.

Aktien, Gold oder Kryptowährungen sind von diesem Spiel eher weniger betroffen, da die wenigsten Privatanleger einen Kredit aufnehmen, um diese Anlageklassen zu erwerben. Bei Wohnimmobilien ist dies aber normal, mit einem Kredithebel von 60 %, 70 % oder 80 % zu arbeiten.

Eine Wohnung in München oder Stuttgart beispielsweise ist eine sehr gute Investition, bei einer 10-jährigen Hypothek von 0,6 % pro Jahr und einer jährlichen Nettorendite des Objekts von 2 %. Mittlerweile müssen für die gleiche 10-jährige Hypothek 2 % bezahlt werden und schon heute ist diese Immobilie – nach Abschreibungen – ein Nullsummenspiel. Absehbar ist auch, dass die Hypothekenzinsen weiter steigen werden und somit ist es nur ein logischer Schritt des Marktes, dass zwangsweise die Preise für Immobilien fallen werden.

Immobilien werden also aus kaufmännischer Sicht immer unattraktiver und somit sinkt die Nachfrage – es werden also die Käufer fehlen. Hinzu kommt die Tatsache, dass wir momentan einen regelrechten Bauboom erleben. In den nächsten 12 Monaten werden eine ungeheure Masse an Immobilien – besonders in den Ballungszentren – neu auf den Markt kommen, welche auf steigende Zinsen treffen. Wir werden sehen, wie dies ausgeht!

Wer als Privatperson ein Eigenheim kaufen will, der sollte warten bis sich die höheren Hypothekenzinsen auf die Immobilienpreise ausgewirkt haben. Aktuell würde man mit höheren Zinsen die hohen Preise finanzieren. Geduld ist gefragt!

Droht ein Platzen der Immobilienblase wie 2008?

Anders als in den USA gibt es in Deutschland eine Zinsbindung. Das Platzen der Immobilienblase im Jahr 2008 hatte auch etwas mit der Zinsbindung in den USA zu tun. Dieser kann sich jedes Jahr ändern und orientiert sich direkt am Referenzzinssatz der US-Notenbank FED. Diese hatte den Leitzins in den Jahren 2007 und 2008 drastisch erhöht und somit erhöhte sich auch der Hypothekenzins für die Hausbesitzer. Da viele einkommensschwache US-Haushalte daraufhin diese nicht mehr bedienen konnten, kam es zu massenhaften Zwangsversteigerungen, welche aufgrund der wirtschaftlichen Lage keine Käufer mehr fanden. Die Preise für Immobilien brachen regelrecht ein.

In Deutschland ist dies zum Glück anders. Im Durchschnitt haben die Wohnimmobilien eine Eigenkapitalquote von 20 % – 40 %, und es gibt eine langjährige Zinsbindung von 5, 10 oder 15 Jahren. Steigende Zinsen am Hypothekenmarkt führen also nicht zu einer unmittelbaren Belastung bei Bestandsimmobilien und es führt nicht zu einer Verkaufswelle. Eine Erhöhung der Hypotheken würde somit nicht dazu führen, dass scharenweise Zwangsversteigerung auftreten, sondern dass es einfach keine Käufer mehr gibt, da es kaufmännisch keinen Sinn mehr macht, jetzt Immobilien zu erwerben. Zumindest als Kapitalanlage.

Soll ich jetzt meine Immobilie verkaufen?

Mann steht verzweifelt vor seinem Haus mit einem Schild davor, auf dem "Zu verkaufen" steht.

Schon heute werden Immobilien bis zum endgültigen Verkauf viel länger am Markt angeboten, als noch vor einigen Monaten. Die Korrektur am Immobilienmarkt mag noch ein oder zwei Jahre dauern, aber die Zeiten, in welchen man für eine Immobilie jeden Preis aufrufen konnte, sind vorbei! Jetzt bekommt man noch gute Preise für seine Immobilie, sofern man diese loswerden will. Wie das in 1-2 Jahren aussieht, steht in den Sternen.

Wer eine Immobilie kaufen will, sollte warten, bis die höheren Zinsen auf die korrigierten Immobilienpreise treffen, denn aktuell würde man mit höheren Zinsen viel zu hohe Preise für die Immobilie finanzieren – eine toxische Mischung. Jetzt eine Immobilie zu kaufen, ist wahrscheinlich das dümmste, was man machen kann. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Wer in naher Zukunft plant, eine Immobilie zu verkaufen, sollte dies so schnell wie möglich anstreben, bevor der Zug abgefahren ist.

Jetzt Bausparvertrag abschließen, um niedrige Zinsen zu sichern?

Mit diesen Slogans werben Banken und Bausparkassen nun wieder vermehrt. Das Verkaufsargument jedoch ist schon uralt. Leider fallen aber immer wieder sehr viele Sparer darauf herein. Fakt ist, dass in der Ansparphase von 10 oder 15 Jahren wertvolles eigenes Geld zerstört wird. Nicht nur wegen der hohen Abschlussgebühren von 1,6 % auf die Bausparsumme, sondern auch wegen des fehlenden Guthabenzinses (aktuell zwischen 0,01 bis 0,1 % p.a.). Der Darlehenszins, also das Darlehen, das man dann in mindestens 10 Jahren in Anspruch nehmen kann, liegt momentan zwischen 2 % – 3 % pro Jahr.

Zur Verdeutlichung ein einfaches Beispiel:

Das ist Fred. Er will eventuell in Zukunft ein Eigenheim finanzieren. Am Anfang schluckt er etwas über diese hohe Summe, aber wenn er sich die Immobilienpreise so ansieht, ist ihm bewusst, dass er mit 20.000 € oder 50.000 € nicht einmal einen guten Balkon oder nur ein paar Fenster bekommt.

Die Bausparkasse bietet ihm einen Bausparvertrag an mit einer Bausparsumme von 250.000 €. 40 % davon muss er ansparen, damit der Bausparvertrag zuteilungsreif wird. Dafür benötigt er eine monatliche Sparrate von 550 €, die Laufzeit beträgt 15 Jahre und der Zins in der Ansparphase beträgt 0,1 %. Die anderen 60 % der Bausparsumme (150.000 €) kann er später als Darlehen bei der Bausparkasse beantragen. Fred rechnet nach und vergleicht den Bausparvertrag mit einem hochwertigen Fonds- und ETF-Depot mit durchschnittlich 6 % Rendite pro Jahr.

Vergleich Bausparvertrag/Fonds- und ETF-Depot

BausparvertragFonds- und ETF-Depot
Sparrate550 €550 €
Dauer15 Jahre15 Jahre
Einzahlung nach 15 Jahren99.000 €99.000 €
Abschlussgebühr4.000 €0 €
Zinsen/Rendite0,1 %6 %
Guthaben nach 15 Jahren95.750 €158.614 €
Verlust/Gewinn nach 15 Jahren– 3.250 €50.614 €

In beiden Fällen werden 99.000 € eingezahlt. Der garantierte Verlust bei der Variante ‚Bausparen‘ beträgt 3.250 €. Dieser Verlust errechnet sich durch die Abschlussgebühr plus Zinsen. Diesen Verlust bekommt Fred sogar schriftlich von der Bausparkasse.

Bei der Variante ‚Fonds- und ETF-Depot’ rechnen wir eine jährliche Gebühr von 1 %, diese wird mit der jährlichen Rendite verrechnet. Hier ist das Eigenkapital nach 15 Jahren bedeutend höher, was essenziell ist für eine Hypothek. Anstatt also für 150.000 € Darlehenszinsen zu zahlen, muss Fred nur für 91.386 € (250.000 € – 158.614 €) Zinsen entrichten. Hierbei könnte der Zins auch bei 6-8 % liegen und Fred würde immer noch besser fahren.

Er hat wesentlich mehr Eigenkapital angehäuft, und dieses Geld ist immer noch am billigsten. Der vermeintliche Nachteil, den Darlehenszins in der Zukunft nicht zu wissen, birgt ein wesentlich kleineres Risiko, als kein Guthabenzins in der Ansparphase und dafür einen halbwegs attraktiven garantierten Darlehenszins in der Zukunft.

Eine Rendite von 6 % – 8 % pro Jahr bei hochwertigen Portfolios ist historische Normalität und die Verlustwahrscheinlichkeit nach 15 Jahren Anlagedauer liegt bei 0 %, breite und intelligente Streuung des Geldes vorausgesetzt.

Bekommen wir endlich wieder attraktive Zinsen zum Sparen?

Der Geist Inflation verfolgt ein Sparbuch und eine Lebensversicherung

Die Zinsen steigen und viele hoffen wieder auf attraktive Zinsen auf Sparprodukte wie Bausparverträge, Sparbücher oder Festgelder. Diese Hoffnung wird aber so nicht eintreten. Der Zins ist zwar nicht mehr tot, aber immer noch im Tiefschlaf.

Durch einen Zins weit unterhalb der Inflation entschuldet sich der Staat auf Raten. Dies ist auf der einen Seite gut, aber auf der anderen Seite tut er dies auf Kosten der Mittelschicht. Denn diese baut ihre Altersvorsorge auf Zinspapieren auf, die mit voller Wucht von der hohen Inflation getroffen werden. Riesterverträge, Bausparverträge, Lebensversicherungen oder Pensionszusagen leiden seit Jahren unter den Niedrigzinsen, und dies wird sich in Zukunft leider nicht ändern.

Wirklich attraktive Zinsen wird es auch in Zukunft nicht mehr geben. Attraktiv bedeutet, 2 % Inflation und 4 % Zins, also eine Netto-Realverzinsung. Solch ein Szenario würde die europäische Volkswirtschaft nicht verkraften und 70 Jahre politische Bemühungen rund um die Europäische Union wären dahin. Dies wird kein europäischer Politiker zulassen, erst recht nicht die Europäische Zentralbank. Dies gilt vor allem dann, wenn die EZB keine Staatsanleihen am Markt mehr aufkaufen würde. Denn dann müssten sich die Staaten am freien Markt finanzieren und der Zins für diese Staatsanleihen, vor allem in den europäischen Südländern würden nach oben schießen. Wichtig zu wissen: Die EZB hält momentan rund 20 % aller Staatsanleihen im Euroraum. Das heißt, der Staat zahlt die Zinsen an die EZB. Über den Gewinn der EZB fließt dieses Geld wieder zurück an die Staaten – linke Tasche, rechte Tasche! Wenn die Staaten sich direkt am Markt finanzieren müssten, gibt es kein Geld zurück. Es würden also tatsächliche Ausgaben entstehen.

Wo gibt es noch attraktive Zinsen zum Sparen?

Wer noch immer glaubt, irgendwo einen attraktiven Zins zu bekommen, muss entweder enorme Bankrisiken eingehen oder sucht bis zum Sankt-Nimmerleinstag. Mittlerweile hat ein regelrechtes Festgeld-Hopping eingesetzt. Verzweifelte Sparer suchen vergebens die letzten 0,01 % Zins bei dubiosen, unseriösen Banken – und das bei 7 % Inflation. Dass diese Suche vergebene Liebesmüh ist, sollte allen klar sein.

Was bedeutet das für deine Geldanlage?

Rennwagen fahren gegeneinander, Depot führt vor Lebensversicherung

Wirklichen Vermögenszuwachs nach Inflation gibt es für Privatanleger in Sachwerten. Am einfachsten ist dies zu realisieren mit einem Depot, bestehend aus hochwertigen Investmentfonds und ETFs. Qualitäts-Sachwerte wie Aktien oder Gold profitieren in der Regel von der Inflation und bieten wirklichen Schutz vor Geldentwertung. Die einzige Nebenwirkung eines Depots: die Schwankung. In turbulenten Zeiten wie diesen, ruft diese Schwankung ein ungutes Gefühl in der Magengegend hervor, Schwankungen sind aber fester Bestandteil. Ohne Schwankung keine Gewinne! Die Börse atmet ein und aus. Momentan atmet sie aus. Die Weltwirtschaft wächst aber weiterhin, momentan etwas langsamer als sonst. Wer dies verstanden hat, wird langfristig zu den Gewinnern gehören und der Inflation ein gehöriges Schnippchen geschlagen haben.